Am 27. Februar gab die türkische Regierung bekannt, dass die Grenzen nach Europa geöffnet wären. Daraufhin verkauften tausende Geflüchtete ihr Hab und Gut und machten sich auf den Weg zur Grenzstadt Edirne. Viele andere, die in geschlossenen Lagern in der Türkei untergebracht waren, wurden gezwungen, in Busse zu steigen, die sie gegen ihren Willen an die Grenze brachten. Mehr als drei Wochen lang harrten 15.000 bis 20000 Menschen unter schrecklichen Umständen im "Camp" am Grenzübergang Pazarkule aus, wobei ihnen schnell klar wurde, dass sie als Spielfiguren im politischen Machtkampf zwischen Türkei und EU missbraucht worden waren. Das Camp war nichts als ein Feld neben der Grenze, abgesperrt durch die türkische Polizei. Improvisierte Zelte, teilweise aus gefundenen Müllsäcken gebaut, waren der einzige Schutz der Menschen vor Kälte und Regen. Um von den türkischen Behörden Essen zu erhalten, mussten sie sich bis zu acht Stunden lang anstellen, beginnend um vier Uhr in der Früh. Wer nicht perfekt in der Reihe stand, wurde ohne Vorwarnung geschlagen. Es gab außer einigen Dixi-Toiletten keinerlei sanitäre Anlagen. Wieder und wieder zwangen die türkischen Behörden die Geflüchteten, die Grenze zu stürmen, den Zaun einzureißen oder den Grenzfluss zu überqueren. Jeder einzelne Mensch, der es über die Grenze geschafft hatte, erzählte dieselbe Geschichte: die griechische Polizei geht systematisch mit Gewalt gegen die Geflüchteten vor, viele wurden geschlagen und körperlich misshandelt. Ihnen allen wurden ihre Telephone, ihr Geld und vor allen Dingen ihre Dokumente weggenommen, bevor sie in illegalen Pushbacks in die Türkei zurückgeschoben wurden - oft sogar ihrer Kleidung bis auf die Unterwäsche entledigt. Zumindest zwei Tote wurden, wie mittlerweile von Amnesty International bestätigt, von griechischen Beamten erschossen. Zahlreiche andere erlitten Verletzungen durch das Tränengas und die Wasserwerfer, die von griechischer Seite eingesetzt wurden. Wir haben Beweise dafür, dass abgelaufenes - und damit toxisches- Tränengas verwendet wurde.
Tausende Menschen sind durch das Vorgehen der griechischen Behörden ohne Papiere in der Türkei gestrandet, während zugleich ein türkisches Gesetz es NGOs verbietet, Menschen zu helfen, die keine Dokumente vorzeigen können.
Ein Team von Freiwilligen von Josoor war durchgehend vor Ort, um so gut wie möglich zu helfen. Auch sammelten sie Informationen, um die Ereignisse zu dokumentieren, insbesondere seitdem die letzten Journalist*innen vor Ort aus der Gegend verwiesen wurden.
Am 26. März stürmte die Polizei das Camp bei Pazarkule, zündete alles an und zwang die Menschen in Busse, die sie an neun verschiedene Orte in der Türkei brachten. Sie werden seither dort festgehalten, offiziell unter Quarantäne gestellt. Telephone sind in den Lagern nicht erlaubt, die Essensversorgung ist unzureichend. Niemand weiß, wie es nach den zwei Wochen Quarantäne weitergehen wird.
Die Behörden sagen den Geflüchteten, dass sie danach wieder an die Grenze gebracht werden. Doch die türkische Regierung hat die Menschen schon so oft belogen: behauptet, die Grenze wäre offen, behauptet, sie würden sie nach Istanbul bringen, während sie sie mitten ins Nirgendwo fuhren. Auch wenn die Geflüchteten also der Regierung schon lange nicht mehr trauen, bringt das letzte bisschen Hoffnung sie dazu, sich auf eine Rückkehr nach Edirne vorzubereiten.
Im Angesicht all dessen verbreitet sich gerade ein Gerücht unter ihnen: wenn sie nur lange genug an der Grenze ausharren, müsse die UNO sie nach einer gewissen Zeit menschenwürdig unterbringen und versorgen.
Josoor koordiniert Teams vor Ort, die noch immer etwa 200 Menschen unterstützen, die es geschafft haben, das Camp in Pazarkule zu verlassen, bevor es "evakuiert" wurde und jetzt in verlassenen Gebäuden oder Feldern in der Gegend rund um Edirne leben. Ein zweites Team unterstützt Geflüchtete in Istanbul, die aufgrund der COVID-19 Maßnahmen Hilfe brauchen. Die NGO tut auch weiterhin alles, um die tausenden Menschen in den Lagern zu unterstützen, auch wenn das mittlerweile sehr schwer geworden ist, weil den Geflüchteten ihre Telephone abgenommen wurden.
Weitere Teammitglieder von Josoor sammeln und veröffentlichen die bestätigten Menschenrechtsverletzungen und arbeiten mit anderen NGOs wie etwa RLC Berlin zusammen, um Möglichkeiten für rechtliche Schritte auszuloten.
Weiterhin veröffentlichen wir auch alle Informationen so gut wir können - die türkische Polizei ist allerdings alles andere als begeistert von unserer Arbeit, weshalb wir zur Sicherheit der Geflüchteten sowie unserer eigenen Teams einiges vertraulich behandeln müssen.
Um unsere Arbeit zu unterstützen, teile unseren Blog und unsere Crowdfundingkampagne!
Am 27. Februar gab die türkische Regierung bekannt, dass die Grenzen nach Europa geöffnet wären. Daraufhin verkauften tausende Geflüchtete ihr Hab und Gut und machten sich auf den Weg zur Grenzstadt Edirne. Viele andere, die in geschlossenen Lagern in der Türkei untergebracht waren, wurden gezwungen, in Busse zu steigen, die sie gegen ihren Willen an die Grenze brachten. Mehr als drei Wochen lang harrten 15.000 bis 20000 Menschen unter schrecklichen Umständen im "Camp" am Grenzübergang Pazarkule aus, wobei ihnen schnell klar wurde, dass sie als Spielfiguren im politischen Machtkampf zwischen Türkei und EU missbraucht worden waren. Das Camp war nichts als ein Feld neben der Grenze, abgesperrt durch die türkische Polizei. Improvisierte Zelte, teilweise aus gefundenen Müllsäcken gebaut, waren der einzige Schutz der Menschen vor Kälte und Regen. Um von den türkischen Behörden Essen zu erhalten, mussten sie sich bis zu acht Stunden lang anstellen, beginnend um vier Uhr in der Früh. Wer nicht perfekt in der Reihe stand, wurde ohne Vorwarnung geschlagen. Es gab außer einigen Dixi-Toiletten keinerlei sanitäre Anlagen. Wieder und wieder zwangen die türkischen Behörden die Geflüchteten, die Grenze zu stürmen, den Zaun einzureißen oder den Grenzfluss zu überqueren. Jeder einzelne Mensch, der es über die Grenze geschafft hatte, erzählte dieselbe Geschichte: die griechische Polizei geht systematisch mit Gewalt gegen die Geflüchteten vor, viele wurden geschlagen und körperlich misshandelt. Ihnen allen wurden ihre Telephone, ihr Geld und vor allen Dingen ihre Dokumente weggenommen, bevor sie in illegalen Pushbacks in die Türkei zurückgeschoben wurden - oft sogar ihrer Kleidung bis auf die Unterwäsche entledigt. Zumindest zwei Tote wurden, wie mittlerweile von Amnesty International bestätigt, von griechischen Beamten erschossen. Zahlreiche andere erlitten Verletzungen durch das Tränengas und die Wasserwerfer, die von griechischer Seite eingesetzt wurden. Wir haben Beweise dafür, dass abgelaufenes - und damit toxisches- Tränengas verwendet wurde.
Tausende Menschen sind durch das Vorgehen der griechischen Behörden ohne Papiere in der Türkei gestrandet, während zugleich ein türkisches Gesetz es NGOs verbietet, Menschen zu helfen, die keine Dokumente vorzeigen können.
Ein Team von Freiwilligen von Josoor war durchgehend vor Ort, um so gut wie möglich zu helfen. Auch sammelten sie Informationen, um die Ereignisse zu dokumentieren, insbesondere seitdem die letzten Journalist*innen vor Ort aus der Gegend verwiesen wurden.
Am 26. März stürmte die Polizei das Camp bei Pazarkule, zündete alles an und zwang die Menschen in Busse, die sie an neun verschiedene Orte in der Türkei brachten. Sie werden seither dort festgehalten, offiziell unter Quarantäne gestellt. Telephone sind in den Lagern nicht erlaubt, die Essensversorgung ist unzureichend. Niemand weiß, wie es nach den zwei Wochen Quarantäne weitergehen wird.
Die Behörden sagen den Geflüchteten, dass sie danach wieder an die Grenze gebracht werden. Doch die türkische Regierung hat die Menschen schon so oft belogen: behauptet, die Grenze wäre offen, behauptet, sie würden sie nach Istanbul bringen, während sie sie mitten ins Nirgendwo fuhren. Auch wenn die Geflüchteten also der Regierung schon lange nicht mehr trauen, bringt das letzte bisschen Hoffnung sie dazu, sich auf eine Rückkehr nach Edirne vorzubereiten.
Im Angesicht all dessen verbreitet sich gerade ein Gerücht unter ihnen: wenn sie nur lange genug an der Grenze ausharren, müsse die UNO sie nach einer gewissen Zeit menschenwürdig unterbringen und versorgen.
Josoor koordiniert Teams vor Ort, die noch immer etwa 200 Menschen unterstützen, die es geschafft haben, das Camp in Pazarkule zu verlassen, bevor es "evakuiert" wurde und jetzt in verlassenen Gebäuden oder Feldern in der Gegend rund um Edirne leben. Ein zweites Team unterstützt Geflüchtete in Istanbul, die aufgrund der COVID-19 Maßnahmen Hilfe brauchen. Die NGO tut auch weiterhin alles, um die tausenden Menschen in den Lagern zu unterstützen, auch wenn das mittlerweile sehr schwer geworden ist, weil den Geflüchteten ihre Telephone abgenommen wurden.
Weitere Teammitglieder von Josoor sammeln und veröffentlichen die bestätigten Menschenrechtsverletzungen und arbeiten mit anderen NGOs wie etwa RLC Berlin zusammen, um Möglichkeiten für rechtliche Schritte auszuloten.
Weiterhin veröffentlichen wir auch alle Informationen so gut wir können - die türkische Polizei ist allerdings alles andere als begeistert von unserer Arbeit, weshalb wir zur Sicherheit der Geflüchteten sowie unserer eigenen Teams einiges vertraulich behandeln müssen.
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