Schlaflos

Sie wollen uns ruhig stellen

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die EU nicht die Einhaltung von Menschenrechten sondern die Abschreckung von Schutzsuchenden als Priorität betrachtet. Menschen, die in der EU ihr Recht auf Asyl verwirklichen wollen, werden kriminalisiert. Diejenigen, die sich mit ihnen solidarisieren, ebenso. Unser Fall ist nur einer von vielen.

Es ist erst wenige Jahre her, dass die griechische Küstenwache dankbar war für die Freiwilligen, die nach Flüchtlingsbooten Ausschau hielten. Sie reagierte auf Meldungen und tat das, was nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich richtig ist: sie folgte den Hinweisen und rettete die Menschen auf den Booten, brachte sie sicher an Land.

 

Dann gab es erste Fälle, in denen die Küstenwache nicht mehr reagierte. Schnell wurde unterlassene Hilfeleistung zum System. Schließlich mehrten sich  Berichte über illegale Pushbacks von Flüchtlingsbooten in der Ägäis.

 

2020 schließlich haben wir einen Punkt erreicht, an dem die griechische Küstenwache versucht, jedes einzelne Boot von der Ankunft in Griechenland abzuhalten. Mindestens 8.500 Menschen wurden dieses Jahr von der griechischen Küstenwache ihres Rechts auf Asyl beraubt - und das nur auf der Ägäis, neben den täglichen Pushbacks an der Landgrenze. Die griechische Regierung ist stolz darauf, dass sie die Ankunftszahlen um 95% gesenkt hat, während sie jedoch weiterhin dementiert, Pushbacks durchzuführen. Etliche Recherchen belegen allerdings, dass diese Praktik mittlerweile System hat und selbst Frontex involviert ist.


Doch diese erschreckende Entwicklung beschränkt sich nicht nur auf Griechenland. Entlang der gesamten EU- Außengrenze, die schon lange die tödlichste Grenze der Welt ist, begehen EU- Behörden systematische Rechtsbrüche. Pushbacks, diese eindeutig illegale und zutiefst unmenschliche Praxis der Rückweisungen an der Grenze, sind integraler Bestandteil der europäischen Abschreckungspolitik geworden. 


Ein ebenso systematischer Teil der EU Politik ist die Behinderung der Zivilgesellschaft an der Unterstützung von Menschen auf der Flucht. Gesetze, Bürokratie und die Justiz werden missbraucht um denjenigen, die sich der um sich greifenden Unmenschlichkeit nicht beugen wollen, ihre Arbeit zu verunmöglichen. 


Zivile Seenotrettungsboote werden festgesetzt wo immer möglich oder erhalten keine Anlandeeraubnis. Ebenso ergeht es Handelsschiffen, deren Crews damit in den Konflikt gebracht werden entweder Internationales Seerecht zu brechen wenn sie nicht auf Notrufe reagieren oder wochen- und sogar monatelange Irrfahrten mit Geretteten an Bord riskieren zu müssen.  


Mitarbeiter*innen und Freiwillige von Seenotrettungsorganisationen werden verhaftet, angeklagt und jahrelangen Schauprozessen unterzogen. 


Nun trifft es also auch uns. Wir haben nie Seenotrettung betrieben. Wir waren und sind nicht in Griechenland aktiv. Wir unterstützen lediglich Geflüchtete in der Türkei. Diese berichten uns über die Menschenrechtsverletzungen, die sie in Griechenland und Bulgarien erlebt haben. Wir sammeln die Beweise und veröffentlichen sie in der Datenbank von und als Teil des Border Violence Monitoring Networks und in Zusammenarbeit mit internationalen Medien.


Dass die griechische Regierung die Berichterstattung über ihre Menschenrechtsverletzungen unterbinden möchte, ist klar. Noch bevor überhaupt Anklage erhoben wurde, missbraucht sie diesmal auch die Medien, um uns und die anderen drei beschuldigten NGOs zu diskreditieren und diffamieren. Damit sollen wohl jeglichen Berichte über die eigenen Verbrechen die Glaubwürdigkeit entzogen werden.


Auf Anraten unserer rechtlichen Vertretung sollen wir uns bis zur Anklage nicht zu den einzelnen Anschuldigungen äußern.


Überrascht sind wir nicht. Die letzten Jahre haben klar gezeigt, dass die EU nicht die Einhaltung von Menschenrechten sondern die Abschreckung von Menschen als Priorität sieht. Dass Menschen, die vor unzumutbaren Zuständen in ihren Heimatländern fliehen und ihr Recht auf Asyl in der EU verwirklichen wollen, kriminalisiert werden. Dass auch diejenigen, die sich mit ihnen solidarisieren, kriminalisiert werden. Egal ob in Griechenland, Italien, Frankreich oder Deutschland


Das Phänomen, dass Regierungen versuchen, Menschen loszuwerden, die ihre eigenen Verbrechen aufdecken, ist nicht neu. Dass das nicht nur in diktatorisch regierten Ländern geschieht - aus denen viele Menschen fliehen - sondern auch in der EU Normalität ist, haben Menschen, die im Flüchtlingsbereich arbeiten, schon lange begriffen. Wie weit wir bereits auf diesem autoritären Pfad sind, scheint an der breiten Öffentlichkeit aber großteils noch vorbei zu gehen. 


All jene, die aus rassistischen Gründen fordern, die Menschenrechte selektiv anzuwenden, untergraben damit ihre eigenen Rechte. Menschenrechte sind unteilbar. Wenn sie nicht für alle gelten, gelten sie für niemanden. 



Josoor wird auch weiterhin für eine Welt arbeiten, in der die Menschenrechte für jede*n Einzelnen gelten und Solidarität alle Grenzen überwindet. 


Es ist erst wenige Jahre her, dass die griechische Küstenwache dankbar war für die Freiwilligen, die nach Flüchtlingsbooten Ausschau hielten. Sie reagierte auf Meldungen und tat das, was nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich richtig ist: sie folgte den Hinweisen und rettete die Menschen auf den Booten, brachte sie sicher an Land.

 

Dann gab es erste Fälle, in denen die Küstenwache nicht mehr reagierte. Schnell wurde unterlassene Hilfeleistung zum System. Schließlich mehrten sich  Berichte über illegale Pushbacks von Flüchtlingsbooten in der Ägäis.

 

2020 schließlich haben wir einen Punkt erreicht, an dem die griechische Küstenwache versucht, jedes einzelne Boot von der Ankunft in Griechenland abzuhalten. Mindestens 8.500 Menschen wurden dieses Jahr von der griechischen Küstenwache ihres Rechts auf Asyl beraubt - und das nur auf der Ägäis, neben den täglichen Pushbacks an der Landgrenze. Die griechische Regierung ist stolz darauf, dass sie die Ankunftszahlen um 95% gesenkt hat, während sie jedoch weiterhin dementiert, Pushbacks durchzuführen. Etliche Recherchen belegen allerdings, dass diese Praktik mittlerweile System hat und selbst Frontex involviert ist.


Doch diese erschreckende Entwicklung beschränkt sich nicht nur auf Griechenland. Entlang der gesamten EU- Außengrenze, die schon lange die tödlichste Grenze der Welt ist, begehen EU- Behörden systematische Rechtsbrüche. Pushbacks, diese eindeutig illegale und zutiefst unmenschliche Praxis der Rückweisungen an der Grenze, sind integraler Bestandteil der europäischen Abschreckungspolitik geworden. 


Ein ebenso systematischer Teil der EU Politik ist die Behinderung der Zivilgesellschaft an der Unterstützung von Menschen auf der Flucht. Gesetze, Bürokratie und die Justiz werden missbraucht um denjenigen, die sich der um sich greifenden Unmenschlichkeit nicht beugen wollen, ihre Arbeit zu verunmöglichen. 


Zivile Seenotrettungsboote werden festgesetzt wo immer möglich oder erhalten keine Anlandeeraubnis. Ebenso ergeht es Handelsschiffen, deren Crews damit in den Konflikt gebracht werden entweder Internationales Seerecht zu brechen wenn sie nicht auf Notrufe reagieren oder wochen- und sogar monatelange Irrfahrten mit Geretteten an Bord riskieren zu müssen.  


Mitarbeiter*innen und Freiwillige von Seenotrettungsorganisationen werden verhaftet, angeklagt und jahrelangen Schauprozessen unterzogen. 


Nun trifft es also auch uns. Wir haben nie Seenotrettung betrieben. Wir waren und sind nicht in Griechenland aktiv. Wir unterstützen lediglich Geflüchtete in der Türkei. Diese berichten uns über die Menschenrechtsverletzungen, die sie in Griechenland und Bulgarien erlebt haben. Wir sammeln die Beweise und veröffentlichen sie in der Datenbank von und als Teil des Border Violence Monitoring Networks und in Zusammenarbeit mit internationalen Medien.


Dass die griechische Regierung die Berichterstattung über ihre Menschenrechtsverletzungen unterbinden möchte, ist klar. Noch bevor überhaupt Anklage erhoben wurde, missbraucht sie diesmal auch die Medien, um uns und die anderen drei beschuldigten NGOs zu diskreditieren und diffamieren. Damit sollen wohl jeglichen Berichte über die eigenen Verbrechen die Glaubwürdigkeit entzogen werden.


Auf Anraten unserer rechtlichen Vertretung sollen wir uns bis zur Anklage nicht zu den einzelnen Anschuldigungen äußern.


Überrascht sind wir nicht. Die letzten Jahre haben klar gezeigt, dass die EU nicht die Einhaltung von Menschenrechten sondern die Abschreckung von Menschen als Priorität sieht. Dass Menschen, die vor unzumutbaren Zuständen in ihren Heimatländern fliehen und ihr Recht auf Asyl in der EU verwirklichen wollen, kriminalisiert werden. Dass auch diejenigen, die sich mit ihnen solidarisieren, kriminalisiert werden. Egal ob in Griechenland, Italien, Frankreich oder Deutschland


Das Phänomen, dass Regierungen versuchen, Menschen loszuwerden, die ihre eigenen Verbrechen aufdecken, ist nicht neu. Dass das nicht nur in diktatorisch regierten Ländern geschieht - aus denen viele Menschen fliehen - sondern auch in der EU Normalität ist, haben Menschen, die im Flüchtlingsbereich arbeiten, schon lange begriffen. Wie weit wir bereits auf diesem autoritären Pfad sind, scheint an der breiten Öffentlichkeit aber großteils noch vorbei zu gehen. 


All jene, die aus rassistischen Gründen fordern, die Menschenrechte selektiv anzuwenden, untergraben damit ihre eigenen Rechte. Menschenrechte sind unteilbar. Wenn sie nicht für alle gelten, gelten sie für niemanden. 



Josoor wird auch weiterhin für eine Welt arbeiten, in der die Menschenrechte für jede*n Einzelnen gelten und Solidarität alle Grenzen überwindet. 


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